Gedenkbuch Langenhagen

Für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Frank-Matthias Mann bei der Verlegung der Stolperschwelle

Stolperschwelle – Erika Veit

Von Daniel Wierzba

Erika Veit.

Das ist nicht nur einer von 30 Namen, die hier und heute, an diesem besonderen Tag und an diesem besonderen Ort vorgetragen worden sind. Genau wie hinter den anderen 29 Namen, steht auch hinter dem Namen Erika Veit eine ganz einzigartige Biografie, eine Geschichte ohnegleichen. Eine Geschichte, die eng mit der Vergangenheit dieses Ortes verbunden ist und die von der Tragik der Erlebnisse während der Zeit des NS-Regimes gezeichnet ist.

Erika Veit kam 1911 als Tochter von Isaak und Rosa Veit geborene Schellenberg im hessischen Goddelau zur Welt. Heute gehört der Ort zu Riedstadt, das etwa 15 Kilometer von Darmstadt entfernt liegt. Als Erika Veit sieben Jahre alt ist, verstirbt ihre Mutter. Ihr Vater heiratet erneut und Erika Veits Halbbruder Philipp Fritz Veit kommt zur Welt.

Zwischen 1930 und 1935 arbeitete Erika Veit zunächst in München als Hausgehilfin und Kindermädchen, bevor sie 1937 nach Hannover zog, um eine Ausbildung zur Krankenschwester am Jüdischen Krankenhaus Hannover aufzunehmen. Zeitgleich verschärfte sich die politische Lage in ganz Deutschland. Jüdinnen und Juden wurden immer offener, immer extremer diskriminiert und häufiger Opfer von Gewalt. So sah sich Erika Veits Familie gezwungen, ihren hessischen Heimatort zu verlassen und zog nach Frankfurt.

Auch am Jüdischen Krankenhaus Hannover wurde die Lage immer dramatischer: 1938 wurde jüdischen Ärzten ihre Approbation entzogen, jüdische Krankenschwestern, zu denen auch Erika Veit gehörte, durften fortan nur noch jüdische Patienten pflegen.

Nachdem es ihrem Halbbruder gelang, nach einer „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Dachau nach London zu emigrieren, plante Erika Veit ebenfalls, Deutschland zu verlassen. Diese Pläne scheiterten jedoch.

Im Jahre 1940 nahm Erika Veit ihre Tätigkeit als Pflegerin im Alten- und Pflegeheim „Feierabend“, an dem Ort, an dem wir jetzt stehen, auf. Quellen zu diesem Thema belegen, dass Erika Veit in dieser Zeit im Haus 13A des Heims untergebracht war. Dieses Haus wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als sogenanntes „Isolierhaus“ errichtet: Ein Ort, an dem Patienten mit ansteckenden Krankheiten untergebracht worden sind, um die restlichen Bereiche des Alten- und Pflegeheims möglichst infektfrei halten zu können. Persönliche Unterlagen von Erika Veit und anderen Personen, die auch in diesem Haus lebten und arbeiteten, lassen allerdings die Vermutung zu, dass es sich bei dem Isolierhaus um einen Ort handelte, an dem jüdische Bewohnerinnen und Bewohner und somit auch jüdische Pflegekräfte gezielt zusammengeführt worden sind.

Heute ist in den Räumen des ehemaligen Isolierhauses das Stadtarchiv der Stadt Langenhagen untergebracht.

1942 wurde Erika Veit aus dem Gestapo-Bezirk Hannover in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von wo aus 1944 ein Transport in Richtung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz zahlreiche Menschen in den Tod schickte. So fand nicht nur das Leben von Erika Veit ein Ende. Auch ihre Stiefmutter, Bertha Veit geborene Amram wurde in Auschwitz ermordet. Erika Veits Vater dahingegen starb im Ghetto Theresienstadt. Ihr Stiefbruder überlebte die Shoah. Auf seinen Antrag wurde Erika Veit 1951 für tot erklärt.

Anders als die meisten der heute erwähnten und teilweise auch vorgestellten Menschen, war Erika Veit keine alte, kranke oder pflegebedürftige Person. Sie war eine junge Frau, die in einem Land arbeitete, in dem sie nicht vor Verfolgung und Diskriminierung geschützt worden ist. Sie wurde Opfer der grausamen NS-Ideologie, die Menschen wie Erika Veit degradierte und entmenschlichte. Ihre Biografie steht für die von Millionen von Menschen. Menschen, die leben wollten, aber nicht durften.

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