Gedenkbuch Langenhagen

Für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Familie Müller / Schwarz

Von Chiara Abbey

Mit einem Ehepaar, das unter dem NS-Regime litt, hier im Alten- und Pflegeheim war und im Ghetto Theresienstadt ermordet wurde, habe ich mich näher befasst. Wenn man sich die Unterlagen zu Emanuel und Johanna Müller geb. Schwarz anschaut, dann wirkt es anfangs wie ein ganz normales Leben: Johanna Schwarz wurde am 17. März 1856 und Emanuel Müller am 18. September 1860 geboren. Am 31. August 1886 heirateten die beiden und bekamen im Laufe der nächsten Jahre vier Kinder, drei Töchter und einen Sohn. Emanuel Müller war Fettwarenhändler. Am 17. November 11.1923 zog das Ehepaar nach Hannover und ab dem 10. März 1939 wohnten beide im Alters- und Pflegeheim Feierabend. Fast drei Jahre später, am 23. Juli 1942 wurden sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert. 

Der Transport in Ghettos fand in alten, schlechten, Personenwagen, Güterwagen und Viehwaggons, ohne Licht, Sanitäreinrichtungen oder ausreichend Verpflegung statt. Nach einer langen Zugfahrt unter unmenschlichsten Bedingungen, ohne jegliches Wissen über die eigene Zukunft, folgte ein etwa drei Kilometer langer Fußmarsch bis zum Ghetto. Dort wurden ihnen alle verbliebenden Wertgegenstände abgenommen und bis ihnen eine Unterkunft zugewiesen wurde, mussten sie sich in einem lichtlosen Keller aufhalten. Im Ghetto herrschte immenser Platzmangel; so war die Bevölkerung in Theresienstadt 1942 achtmal so groß wie vor den Deportationen. Dadurch gab es einerseits praktisch keine Privatsphäre und andererseits konnten sich Krankheiten unglaublich schnell ausbreiten. Dies wurde auch durch besonders kalte Winter und Ungezieferplagen verstärkt, sodass Seuchen wie Typhus zum Tod vieler Menschen führte. Doch nicht nur Krankheiten, sondern auch Hunger benutzten die Nazis als Waffe: Es gab zwar Lebensmittel im Ghetto, doch diese reichten nicht annähernd für die Menge an Menschen aus, waren oft schimmlig und nährstoffarm. Verteilt wurden diese von der jüdischen Selbstverwaltung im Ghetto, die entschied, dass Kinder, Jugendliche und Arbeitende Vorrang hatten. Ältere Menschen, wie das Ehepaar Schwarz, waren also besonders durch Mangelernährung bedroht. Selbst das Wasser im Ghetto war schädlich. Es war rötlich gefärbt und auch davon gab es nur wenig. Unter diesen unmenschlichen Umständen starb Johanna Müller nicht einmal zwei Monate nach der Deportation, am 12. September 1942 im Alter von 86 Jahren. Emanuel Müller starb fast ein Jahr nach ihr am 31. August 1943 mit 82 Jahren. Die beiden ersten Töchter konnten in die USA und nach Buenos Aires fliehen. Die dritte Tochter versteckte sich in Paris, über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt. Auch beim Sohn ist unklar, ob er den NS-Terror überleben konnte oder ob er vielleicht sogar schon vorher an den Folgen einer Verletzung nach dem ersten Weltkrieg starb. 

An dieser Stelle wünschte ich mir, ihnen mehr über das Leben der Familie Schwarz erzählen zu können. Das echte Leben dieser Menschen, wie sie sich gefühlt haben und wie es war, aus dem eigenen Leben gerissen zu werden. Es ist wichtig, uns immer wieder vor Augen zu führen, dass Menschen wie Johanna und Emanuel Schwarz zumindest auf dem Papier ein ganz normales Leben geführt haben, bis sie Ziel antisemitischer Anfeindungen wurden, immer tiefgreifenderer Diskriminierung ausgesetzt waren und letztendlich deportiert und ermordet wurden. Unsere Quellen sind jedoch begrenzt und oft bleiben eben nur Daten zu Umzügen und Familienstandsänderungen, da die betroffenen Personen oft verstorben sind, Nachkommen weggezogen sind oder einen neuen Namen haben und auch persönliche Besitztümer von den Faschisten zerstört wurden.

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