Das Alters- und Pflegeheim Langenhagen
Bereits im Januar 1862 wird auf dem ehemaligen Amtshof in Langenhagen an der damaligen Stader Chaussee eine „Erziehungs- und Pflege-Anstalt für geistesschwache und blödsinnige Kinder“ eingerichtet.[1] Der Amtshof stand zuvor leer, seit das bis dahin bestehende Amt Langenhagen im Mai 1859 mit dem Amt Hannover zusammengelegt worden war.[2]
Erziehungsanstalt
Getragen wurde die Anstalt vom Comité zur Errichtung von Erziehungs- und Pflege-Anstalten für geistesschwache Kinder im Königreiche Hannover, einer privaten Organisation, die wesentlich mit Spenden finanziert wurde.[3] Zielgruppe waren „idiotische Kinder“[4], nach heutigem Sprachgebrauch am ehesten als Kinder mit geistiger Behinderung zu beschreiben.
Mit der Gründung wurden zunächst 20 Kinder in der Anstalt aufgenommen.[5] Bis zum Jahr 1884 war diese Zahl auf 339 Personen angewachsen und stieg bis 1896 weiter auf 626 Personen an.[6]
Um die Untergebrachten zu beschäftigen, gehörte auch der Einsatz in der Landwirtschaft zum Konzept der Anstalt.[7] Nach und nach wurden dafür in den folgenden Jahrzehnten dafür umfangreiche Flächen angekauft, weitere angepachtet. Im Jahr 1897 umfasst der Grundbesitz der Anstalt insgesamt 106 Hektar in den Gemeinden Langenhagen, Brink, Langenforth und Kaltenweide, davon ca. 33 Hektar landwirtschaftliche Fläche abseits des eigentlichen Anstaltsbereichs.[8]
Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt
Im Jahr 1897 übernahm die Provinz Hannover die Anstalt als Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt für Geistesschwache. Nunmehr wurden auch ältere Patienten aufgenommen.[9] Die Anstaltsdirektion berechnete im Oktober 1901 eine Kapazität von 427 Plätzen. Gleichzeitig war die Belegung allerdings bereits auf 704 Personen angewachsen.[10] Zwischen 1902 und 1910 wird die Anstalt daraufhin in mehreren Phasen erheblich bis auf knapp 1.000 Betten erweitert.[11] Im Jahr 1906 wurde das Anstaltsgelände durch den Ankauf einer Fläche des Ziegeleibesitzers von Heddenhausen noch einmal erheblich um 21 Hektar erweitert und konsolidiert. Das eigentliche Anstaltsgelände war durch dieses Grundstück zuvor zwischen dem nördlich gelegenen ehemaligen Amtshof mit den Hauptgebäuden (29 Hektar) und einem südlichen ehemaligen Gutshof mit weiteren Unterkünften (42 Hektar) geteilt gewesen.[12]
Ebenfalls im Jahr 1906 wurde eine Beobachtungsstation für Geisteskranke der Stadt Hannover mit 50 Betten eingerichtet. Im Jahr 1927 wurden dort 311 Männer und 213 Frauen aufgenommen.[13]
Ab Ende 1936 verhandelte die Hauptstadt Hannover mit der Provinz Hannover über den Ankauf der Grundstücke und Gebäude der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Langenhagen. Die Stadt Hannover wollte dort ein neues städtisches Altersheim einrichten. Die bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten waren bereits seit Jahrzehnten unzureichend gewesen.[14]
Alters- und Pflegeheim „Feierabend“
Am 4. Dezember 1937 schlossen Provinz und Hauptstadt einen Kaufvertrag, in dem die Anstalt der Stadt Hannover für einen Preis von 2,25 Millionen Reichsmark zum 1. April 1938 überlassen wurde.[15] Zum neu entstandenen Alters- und Pflegeheim genannt Feierabend gehörten damit 61 Gebäude auf einer Gesamtfläche von 425 Morgen mit insgesamt ca. 830 Krankenbetten.[16] Angeschlossen ist eine Station für „Geistesschwache“.
Aus der städtischen Beobachtungsstation für Geisteskranke wurde nach dem Verkauf des Geländes die städtische Nervenklinik, die organisatorisch vom Alters- und Pflegeheim getrennt war.[17]
Gleichzeitig zum 1. April 1938 fand die Vereinigung der Gemeinden Brink und Langenhagen statt, die fortan den geschichtsträchtigeren Namen der kleineren Gemeinde Langenhagen führte. Zuvor hatten sich bereits zum November 1935 die Gemeinden Brink und Langenforth vereinigt.[18] Damit lag das Gelände des Alters- und Pflegeheims Langenhagen nicht mehr wie zuvor die Heil- und Pflegeanstalt an der Gemeindegrenze zwischen Langenhagen und Langenforth bzw. Brink, sondern mitten im Gemeindegebiet.
Jüngste Vergangenheit
Ab Mitte der 1960er Jahre bis in die Gegenwart kauft die Stadt Langenhagen mehrfach Immobilien der Landeshauptstadt Hannover, die ursprünglich zum Gelände des Alters- und Pflegeheims gehörten.[19] Der Stadtpark, die Gebäude von VHS und Stadtarchiv, das Rohdehaus, aber auch Flächen nördlich der Konrad-Adenauer-Straße gehören dazu.
Im Jahr 1979 wurde das neu errichtete Haus Sonneneck eröffnet, die Einrichtung wurde in Altenzentrum Eichenpark umbenannt. 1997 wurde der Betrieb in den älteren Gebäuden entlang der Walsroder Straße schließlich eingestellt.[20] Der Bereich wurde nachfolgend grundlegend neu gestaltet, heute befinden sich dort Wohngebäude.
Im Jahr 2015 erfolgte die Umbenennung in Anni-Gondro-Pflegezentrum im Eichenpark. Die Landeshauptstadt Hannover ehrt damit die 2014 verstorbene Anni Gondro, die sich unter anderem für die hannoverschen Alten- und Pflegezentren engagierte.[21]
Stand: 2025-01-26
- Vgl. Brandes, Gustav: Der Idiotismus und die Idiotenanstalten mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse im Königreiche Hannover : im Auftrage des Comités zur Errichtung von Erziehungs- und Pflege-Anstalten für geistesschwache Kinder im Königreiche Hannover veröffentlicht, Hannover: Carl Rümpler 1862, S. 141. ↑
- Vgl. „Verordnung über die Bezirke der unteren Verwaltungsämter“, in: Königreich Hannover (Hrsg.): Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover: vom Jahre 1859, Hannover: Kius 1859, S. I. Abt., S. 175–189, hier S. 178. ↑
- Vgl. Brandes: Der Idiotismus und die Idiotenanstalten mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse im Königreiche Hannover, S. 137–140. ↑
- Vgl. ebd., S. 1f. ↑
- Vgl. Heintze, Gustav: „Die Irrenfürsorge“, in: Landesdirektorium (Hrsg.): Sechzig Jahre Hannoversche Provinzialverwaltung, Hannover: Göhmannsche Buchdruckerei 1928. ↑
- Vgl. 35. Hannoverscher Provinziallandtag, Drucksache Nr. 15, 12 Dez 1901; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 150 Nr. 257, fol. 25v. ↑
- Vgl. Brandes: Der Idiotismus und die Idiotenanstalten mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse im Königreiche Hannover, S. 114. ↑
- Vgl. 40. Hannoverscher Provinziallandtag, Drucksache Nr. 25, 12 Dez 1906; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 150 Nr. 256, fol. 23v. ↑
- Vgl. 35. Hannoverscher Provinziallandtag, Drucksache Nr. 15, fol. 29v. ↑
- Vgl. ebd., fol. 26. ↑
- Vgl. 43. Hannoverscher Provinziallandtag, Drucksache Nr. 14, 17 Dez 1908; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 150 Nr. 257, fol. 62v. ↑
- Vgl. 40. Hannoverscher Provinziallandtag, Drucksache Nr. 25, fol. 20 sowie 27v. ↑
- Vgl. Heintze: „Die Irrenfürsorge“, S. 188. ↑
- Vgl. Sueße, Thorsten: „Nervenklinik und Pflegeheim Langenhagen: von den Anfängen bis zum Ende der NS-Zeit“, in: Hannoversche Geschichtsblätter 42 (1988), S. 181–203, hier S. 187. ↑
- Vgl. ebd., S. 188. ↑
- Vgl. ebd., S. 189. ↑
- Vgl. Lahn, Günter: „Daten zur Geschichte der Nervenklinik Langenhagen und ihrer Vorgängereinrichtungen“, in: Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): 1938 – 1988: 50 Jahre Nervenklinik Langenhagen der Landeshauptstadt Hannover, Hannover: Landeshauptstadt Hannover „Der Oberstadtdirektor“ 1988, S. 40, hier S. 34. ↑
- Vgl. Bode, Walther, Marianne Humpe und Malte van Hazebrouck: Langenhäger Skizzen, Bd. 2, 2., erw. Aufl. Aufl., Langenhagen: Stadtarchiv Langenhagen 1991 (Schriften zur Geschichte der Stadt Langenhagen, Heft 6), S. 246f. ↑
- Vgl. Vogler, Joachim: Langenhagen – Heil- und Pflegeanstalt, Langenhagen 2019 (Ganz Langenhagen ist ein Museum, hrsg. v. AG GLIEM), S. 11. ↑
- Vgl. Landeshauptstadt Hannover: „Änderung des Namens der Pflegeeinrichtung „Altenzentrum Eichenpark“ in „Anni- Gondro-Pflegezentrum im Eichenpark““ (28.04.2015), https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/0954-2015. ↑
- Vgl. „Langenhagen – Anni-Gondro-Pflegezentrum im Eichenpark“ (07.2015), https://www.hannover.de/content/download/507039/file/AnniGondroPflegezentrum.pdf (abgerufen am 04.01.2023). ↑
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