Chana Bierstein wurde am 1. Juni 1860 in Goworowo (Russland) geboren.[1] Vermutlich handelt es sich um die heutige Gemeinde des Namens im polnischen Kreis Ostrolenka (powiat ostrołęcki) in der Woiwodschaft Masowien, etwa 10 Kilometer östlich der Stadt Różan. Am Ende des 19. Jahrhunderts lebten dort gut 2.000 Personen, die überwiegende Mehrheit davon jüdischen Glaubens.[2]
Über das Leben von Chana Bierstein ist wenig bekannt. Vermutlich ist sie um 1910 nach Hannover gekommen. Zwischen 1914 und 1939 lebte sie in Hannover in der Hohen Straße 13.[3] Ihr Ehemann Sacher gen. Siegfried Bierstein ist nur zwischen 1911 und 1913 nachzuweisen, danach ist Chana Bierstein als Witwe im Adressbuch verzeichnet.[4] Offenbar führte Chana Bierstein in Hannover den eingedeutschten Vornamen Anna.[5] Sie besaß einen Fremdenpass und hatte demnach keine deutsche Staatsangehörigkeit.[6]
Vermutlich handelt es sich bei Chana Bierstein um die Tochter von Avraham Yosef Przegroda und seiner Ehefrau Ziva Skora. Nach der Familienüberlieferung hat Chanas Ehemann sie verlassen.[7] Chana hatte demnach einen Bruder Binyamin Hirsch Przegroda gen. Blum. Binyamins Tochter Sarah Yochevet, die Nichte von Chana, lebte zur Schulausbildung im Haushalt der Biersteins in Linden. Nach der Deportation Chanas nach Theresienstadt erhielt die Nichte Sarah eine Nachricht von deutschen Freunden, nach der Chana „auf dem Lande [wäre], um Jakob zu treffen“. Daraus schloss Sarah, dass sie von den Deutschen umgebracht worden wäre.[8]
Chana Bierstein wurde am 6. Oktober 1939 im Alters- und Pflegeheim Langenhagen aufgenommen und am 22. Juli 1942 „zum Abtransport nach Ahlem” entlassen.[9] Vermögen besaß sie keines mehr.[10] Tags darauf wurde Chana Bierstein nach Theresienstadt deportiert.[11] Nur drei Wochen nach der Ankunft kam Chana Bierstein am 13. August 1942 im Alter von 82 Jahren in Theresienstadt um.[12]
- Alters- und Pflegeheim Langenhagen, Hauptregister, Nr. 580, Sara Bierstein; Stadtarchiv Hannover, StadtA H, 1.NR.5.08 Nr. 20683. Auch Bundesarchiv: Gedenkbuch : Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (Datenbank online), Chana Chara Bierstein, https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/843284 (abger. 08.03.2023). ↑
- Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN, Virtuelles Schtetl, Goworowo in Masowien, https://sztetl.org.pl/de/node/1412/99-history/137330-history-of-community (abger. 08.03.2023). ↑
- Eine Einwohnermeldekarte aus Linden oder Hannover ist nicht überliefert. Stadtarchiv Hannover, Mailverkehr mit dem Autor.
Von der Behnsenstraße 3 kommend am 03 Apr 1914 in die Hohe Straße 13: Hauptstadt Hannover, Hausstandsbuch, Hohe Straße 13; Stadtarchiv Hannover, 1.HR.03.5 Nr. 18361. ↑ - Ein passender Sterbeeintrag für Sacher oder Siegfried Birstein oder eine Person ähnlichen Namens ist in den hannoverschen Standesämtern zwischen 1910 und 1918 nicht nachweisbar. Adressbuch der Stadt Hannover, Jg. 1913, S. III-41, Eintrag für Sacher Birstein; Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, http://digitale-sammlungen.gwlb.de/resolve?PPN=810649861_1934 (abger. 08.03.2023). ↑
- Adressbuch der Stadt Hannover, Jg. 1934, S. I-37, Eintrag für Anna Birstein; Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, http://digitale-sammlungen.gwlb.de/resolve?PPN=810649861_1934 (abger. 08.03.2023). ↑
- Angabe der Fremdenpassnummer in der Vermögenserklärung: Oberfinanzpräsident in Hannover, Vermögensverwertungsstelle, Akte für Chana Bierstein, fol. 5; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 210, Acc. 2004/023 Nr. 1342. ↑
- Dazu passt das Verschwinden des Ehemannes. Die Angabe „Witwe“ war möglicherweise nur als sozialer Schutz verwendet. David Perle, Überlieferung der Familie Blum, 2022, Mailverkehr mit dem Autor. ↑
- Im englischen Original lautet die Formulierung „in the country to join Jacob“. David Perle, Überlieferung der Familie Blum, 2022, Mailverkehr mit dem Autor. ↑
- Alters- und Pflegeheim Langenhagen, Hauptregister, Sara Bierstein, a. a. O. ↑
- Oberfinanzpräsident in Hannover, Vermögensverwertungsstelle, Akte für Chana Bierstein; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 210, Acc. 2004/023 Nr. 1342. ↑
- Gestapo-Transportliste, 23.07.1942, Hannover nach Theresienstadt, unpaginiert (Bild 25), Nr. 482, Chana Bierstein; Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Hannover, NLA HA, Hann. 210, Acc. 160/98 Nr. 17; zit. nach: Statistik-des-Holocaust.de, http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_420723.html (abger. 08.03.2023). ↑
- Ghetto Theresienstadt-Kartei, Karte für Chana Bierstein; Arolsen Archives, DE ITS 1.1.42.2 11422001 025, https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5019809 (abger. 08.03.2023). ↑
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